Ist Ihnen auch aufgefallen, dass in der Presse oft der Nachfolgermangel im Mittelstand beklagt wird? Laut Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wollen bis Ende 2019 rund 240.000 kleine und mittelständische Unternehmer die Leitung ihrer Häuser in jüngere Hände übergeben. Was nach einer guten Chance für erfahrene Führungskräfte klingt, erweist sich beim genauen Hinsehen oft als wenig attraktiv. Karriere-Expertin Dr. Sonja Ulland rät daher in Sachen Unternehmensnachfolge zur Vorsicht.
Ein Gastartikel von Dr. Sonja Ulland.
Ist Ihnen aufgefallen, wie oft in der Presse vom Nachfolgermangel im Mittelstand gesprochen wird? Wie oft Gründer-Inhaber in sichtbar rententauglichem Alter darüber klagen, dass niemand ihr Lebenswerk fortsetzen will? Und wie bedauerlich dies sei, da der Mittelstand doch als Basis und Motor des deutschen Wirtschaftswachstums gilt?
Als generalistisch aufgestellte Führungskraft mit technischer Affinität und ausgeprägter „Hands-On-Mentalität“ mögen Sie sich hier durchaus angesprochen fühlen. Ein erster, neugieriger Blick in „nexxt-change“ und andere einschlägige Foren offenbart tatsächlich eine Flut von Angeboten. Vom Schlüsseldienst in 3c-Lage der Fußgängerzone bis zum internationalen Branchenprimus ist alles vertreten! Nach genauerer Recherche schrumpft die Zahl realistisch interessanter Angebote rapide – vor allem, wenn sich das verfügbare Investitionskapital maximal im unteren einstelligen Millionenbereich bewegt.
Darauf sollten Sie Übernahmeangebote prüfen
Indikatoren für wirklich interesssante Nachfolge-Angebote sind:
- Der Inhaber ist nicht der einzige oder beste Fachmann im Unternehmen.
- Der Kundenstamm weist kein „Klumpenrisiko“ auf. Das Unternehmen hat also eine gesunde Kundenstruktur.
- Umsatz und Erträge waren in den letzten 3 Jahren halbwegs stabil.
- Die Altersstruktur des Mitarbeiterstammes ist gemischt.
- Die Verhandlungsbasis für den Kaufpreis liegt bei nicht mehr als 5 x Ebit (Gewinn vor Zinsen und Steuern).
Bei der ersten Kontaktanbahnung sind Ihnen denkwürdige Erlebnisse sicher. Zwischengeschaltete Nachfolge-Vermittler lassen sich nicht immer leicht von der unternehmerischen Eignung einer gestandenen Führungskraft überzeugen, andere stellen interessante Forderungen – teils administrativer Natur im Rahmen einseitig nachteiliger Verschwiegenheitserklärungen, teils finanzieller Natur mit Faktura vor Bekanntgabe des eigentlichen Objekts. Ist diese Hürde genommen und der erste Kontakt mit dem Unternehmer steht an, dürfen Sie sich auf weitere denkwürdige Erlebnisse freuen.
„Erstaunlich, mit welcher Ausstattung Unternehmen offenbar in der Lage sind, Business zu betreiben…“
Erstaunlich, mit welcher personellen, räumlichen und dinglichen Ausstattung Unternehmen offenbar in der Lage sind, Business zu betreiben – oder eben auch nicht, wie ein Blick in die Unterlagen zeigt, so diese denn vorhanden und aussagekräftig sind. Der oftmals anzutreffende Umstand, dass der Unternehmer selbst sein bester und einziger Experte in Sachen Technologie und Kundenkontakte ist, mag Ihnen zurecht als Hemmnis für positive künftige Geschäftsentwicklung erscheinen.
Finger weg von der #Unternehmensnachfolge, wenn sich der Preis eher an der Rentenlücke des Unternehmers orientiert als an den Unternehmenserträgen. Worauf Sie bei Nachfolgeangeboten im #Mittelstand achten sollten... Klick um zu TweetenSpätestens wenn über Unternehmenswert und daraus abgeleitete Preisvorstellungen gesprochen wird, erscheinen die bisher erzielten Geschäftserfolge in ganz neuem Licht. Wenn sich nämlich die Preisvorstellung eher an der Rentenlücke des Unternehmers orientiert als an erwirtschafteten Erträgen, mag man schwerlich an die gewesenen guten Zeiten des Unternehmens glauben.
Zusammenfassend bleibt die Aussage: Nachfolger gesucht? Ja! Aber aus gutem Grund. Und daher werden auch morgen noch Nachfolger gesucht…
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Sie möchten mehr zur Unternehmensgründung wissen? In dieser interaktiven Weltkarte finden Sie zahlreiche Infos zu Rahmenbedingungen in Deutschland und dem Rest der Welt.
Über den Gastautor
Dr. Sonja Ulland verfügt über langjährige Erfahrung als Coach, Trainerin und Karriereberaterin. Seit 2009 berät sie freiberuflich für von Rundstedt Menschen in ihrer beruflichen Neuorientierung. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Gründerberatung.
[Bildnachweis: © istock.com/KvitaJan]
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